Humboldt-Universität zu Berlin - SALSA School of Analytical Sciences Adlershof

Frühmittelalterliches Ägyptisch Blau im Laserlicht

Petra Dariz, Thomas Schmid, Scientific Reports 11 (2021) 11296.

 

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Ägyptisch Blau, das älteste künstliche Pigment der Menschheit, wird durch chemische Umwandlung beim Erhitzen einer fein vermengten Rohmaterialmischung aus Quarzsand, Kalkstein, Kupfererz und einem Flussmittel (Soda oder Pflanzenasche) auf etwa 950°C hergestellt. Römische Quellen berichten um die Zeitenwende vom Transfer der in Ägypten entwickelten Technologie durch einen gewissen Vestorius nach Pozzuoli bei Neapel (Kampanien, Süditalien). Archäologische Evidenzen belegen tatsächlich Produktionsstätten in den Phlegräischen Feldern und scheinen auf eine Monopolstellung in Erzeugung und Handel von Pigmentkügelchen hinzudeuten. Ägyptisch Blau ist aufgrund seiner fast ausschließlichen Verwendung das Blaupigment par excellence der römischen Antike; seine maltechnische Spur verliert sich im Laufe des Mittelalters.

Der Nachweis von Ägyptisch Blau gelang der Kunsttechnologin Dr. Petra Dariz und dem analytischen Chemiker Dr. Thomas Schmid auf einem einfarbig blauen Wandmalereifragment, welches in den 1970er Jahren im Kirchlein St. Peter ob Gratsch (Südtirol, Norditalien) ausgegraben und vom Amt für Archäologie der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol zur Verfügung gestellt wurde. Das Bruchstück diente als Vergleichsmaterial für Altersbestimmungen im Rahmen eines von den Südtiroler Landesmuseen mitfinanzierten Forschungsprojektes über frühmittelalterliche Stuckfragmente dieser Kirche. Für die Untersuchungen nutzten die beiden aus Südtirol stammenden Forschenden die Laboratorien der School of Analytical Sciences Adlershof (SALSA) der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin. Die Resultate wurden im Nature-Research-Journal Scientific Reports veröffentlicht.

 

Foto und Ramanmikroskopie-Bild einer Malschichtscholle.
(angepasst aus Sci. Rep. 11 (2021) 11296).

 

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Seit der Wiederentdeckung von Ägyptisch Blau vor etwa 200 Jahren im Zusammenhang mit der Ägyptischen Expedition und den Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum übt das Pigment eine ungebrochene Faszination aus, welche eine Vielzahl von Forschungsarbeiten angestoßen hat. Erst im letzten Jahrzehnt wurden petrographische Untersuchungen mit dem Ziel der Charakterisierung und Unterscheidung von möglichen Produktionsstätten einbezogen. Diese waren bisher auf Bestandteile mit Gehalten von über einem Prozent begrenzt, da sich nur vereinzelt vorkommende Minerale bei der herkömmlichen Analyse pulverisierter Proben wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen verhalten. Bereits in früheren Arbeiten des Teams zu historischen Mörtelmaterialien wurde die Ramanmikroskopie als neuer analytischer Ansatz zur Rekonstruktion von Prozessbedingungen und der Herkunft der Rohmaterialien eingesetzt. Aufgrund dieser Erfahrungen erschien die Anwendung dieser Technik vielversprechend für den Nachweis von möglicherweise vorhandenen Spurenbestandteilen in Ägyptisch Blau. Durch flächendeckendes Abtasten der Malschicht mit einem auf etwa ein Tausendstel Millimeter gebündelten Laserstrahl und die Durchführung einer zerstörungsfreien Materialanalyse an jedem einzelnen Messpunkt wurde sichergestellt, dass selbst kleinste Informationsträger gefunden werden konnten.

Die individuelle „Biographie“ eines Farbmittels

Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. In 166.477 Einzelmessungen wurden 28 verschiedene Minerale mit Gehalten vom Prozentbereich bis zu 0,1 Promille erfasst. Durch Einbeziehen von Wissen aus benachbarten Disziplinen gelang es, die in den Spurenbestandteilen konservierten Informationen über Art und Herkunft der Rohmaterialien, Herstellung und Anwendung des Pigments bis hin zur Alterung der Malschicht auszulesen und die individuelle „Biographie“ des Ägyptisch Blau aus St. Peter zu rekonstruieren. Dieser facettenreiche Einblick stellt einen Paradigmenwechsel in der Forschungsgeschichte dar, jedoch nicht ohne dabei neue Forschungsfragen aufzuwerfen. Besonders hervorzuheben sind mit vulkanischer Aktivität verbundene Minerale, die aufgrund der Zusammensetzung von Strandsanden am Golf von Gaeta auf eine Produktion des Pigmentes in den nördlichen Phlegräischen Feldern hindeuten. Darüber hinaus finden sich Hinweise auf ein sulfidisches Kupfererz (anstelle von häufig genanntem metallischem Kupfer oder Bronze) und Pflanzenasche als Flussmittel in der Rohstoffmischung. Analoge ramanmikroskopische Untersuchungen von Ägyptisch Blauen Wandmalereipartien und Pigmentkügelchen aus der römischen Antike und dem Mittelalter könnten fundierte Belege für das Weiterbestehen des vermuteten Fabrikationsmonopols in Pozzuoli über den Untergang Westroms hinaus liefern.

Im Rahmen eines Nachfolgeprojektes werden die beiden Forschenden diese neue analytische Strategie an Pigmentkügelchen und Wandmalereifragmenten aus den altrömischen Städten Augusta Raurica und Aventicum in der Schweiz anwenden.

 

P. Dariz, T. Schmid, Trace compounds in Early Medieval Egyptian blue carry information on provenance, manufacture, application, and ageing. Scientific Reports 2021, 11, 11296. DOI: 10.1038/s41598-021-90759-6.

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